Eine Folge zu Solingen, dem IS und Rechtsextremen. Mit Düzen Tekkal. – Dies ist eine Sonderfolge aus unserer Podcast-Reihe Hopeful News. Es ist DAS Gespräch, das wir nach Solingen jetzt brauchen.
Düzen ist deutsch-jesidische Journalistin, Filmemacherin, Kriegsreporterin, Menschrechtsaktivistin.
Nicole spricht mit ihr darüber, wie wir als Gesellschaft mit dem islamistischen Anschlag in Solingen, bei dem drei Menschen ums Leben kamen, umgehen können und müssen. Düzen plädiert dabei für ein Umdenken im Umgang mit Extremismus. Dabei ist es ihr wichtig, zwischen friedliebenden Muslimen und Extremisten zu unterscheiden. Sie zeigt die Wechselwirkung zwischen islamistischem und rechtsextremistischem Gedankengut auf, die sie als „die bösen Zwillinge“ bezeichnet.
Es geht um die Verantwortung der Medien und der Gesellschaft in der Radikalisierung junger Menschen. Um ein differenziertes Verständnis von Asyl- und Migrationsrecht. Und um eine Gesellschaft, die sich traut, harte Wahrheiten auszusprechen, miteinander konstruktiv zu streiten und sich auf diese Weise gegen jeden Extremismus zu wehren.
Links und Hintergründe
- Düzen Tekkal auf X und auf Instagram
- Solingen: Die wichtigsten Entwicklungen im Überblick beim WDR
- „Die bösen Zwillinge“ – aus „Deutschland ist bedroht“ von Düzen Tekkal, hier im Interview beim DLF
- Wikipedia: Jesiden
- Wikipedia: Islamischer Staat
Hallo,
danke für die Perspektive(n). Einen Punkt verstehe ich nicht: Tekkal sagt, der Rechtsstaat gilt für alle gleich. Laut Grundgesetz sind alle gleich unabhängig der Herkunft. Warum macht sie dann aber einen Unterschied zwischen deutschen (im Sinne der Staatsbürgerschaft) Extremisten und nichtdeutschen? Sie will nichtdeutsche für das gleiche Verhalten abschieben, deutsche aber sollen nicht abgeschoben werden. Ich verstehe das nicht. Alle sollten doch das gleiche, konsequente Rechtsstaatsverfahren bekommen unabhängig der Herkunft bekommen. Und wenn hier irgendwer den IS aufbaut, dann muss das unterbunden werden, auch mit Gefängnis und bei krassen Fällen auch anschließender Sicherheitsverwahrung, aber warum abschieben? Dann sind die Ärsche doch einfach nur woanders auf freiem Fuße. Deutsch geborene werden nicht abgeschoben. Also warum sind für Tekkal doch nicht alle gleich. Vielleicht habe ich auch einen Punkt falsch verstanden. Ich freue mich über konstruktive Erklärung und Kritik. Danke 🙂
Hallo,
Die Menschenrechte gelten für alle. Das sagt Düzen ja auch: Das ist schwer, manchmal schwer auszuhalten, aber das unterscheidet unseren Rechtsstaat von einem Rachestaat.
Nichtdeutsche haben dennoch nicht die selben Rechte, wie deutsche Staatsbürger*innen (ausgenommen EU-Bürger*innen). Sie unterliegen zB. dem Asylrecht, das basiert auf internationalen Vereinbarungen. Sie unterliegen auch europäischem Recht und könnten, wie in dem Fall des Attentäters von Solingen, ggf. aufgrund der Dublin-Regelung in ein anderes Land abgeschoben werden. Nach Syrien schieben wir aber aus guten (Menschenrechtlichen) Gründen eben nicht ab. Und da kommt dann ins Spiel, was Düzen auch sagte: Da helfen dann die Opfer, wie zB Jesid*innen, die uns sagen können, wer schon in Syrien oder anderswo Täter waren, wer zum IS gehörte.
Also ja: Alle bekommen das gleiche Rechtsstaatsverfahren und gleichzeitig können wir im Rahmen des geltenden Rechts andere abschieben. aber, wie der BR 2023 schrieb, das machen wir vor allem nach Georgien, Nordmazedonien, Österreich, Albanien und Serbien (Quelle: https://www.br.de/nachrichten/bayern/zahl-der-abschiebungen-steigt-aber-viele-versuche-scheitern,UMf7FrM#) – in Länder, wo Krieg ist und das Leben der Menschen gefährdet wäre, eigentlich nicht. Da zeigt sich der Rechtsstaat dann auch gern mal in Form des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Darum sind die ganzen Forderungen von Merz und Co. ja auch so scheinheilig (mehr dazu schreibt die RP: https://rp-online.de/politik/deutschland/innenminister-debattieren-darf-deutschland-nach-afghanistan-abschieben_aid-114000493)
Es ist also kompliziert.
Hallo Katrin, vielen lieben herzlichen Dank für die ausführliche formal-juristische Erläuterung. Mein Punkt es, dass es (m)einer ethisch-normativen Perspektive Niederlassungsfreiheit für alle Menschen unabhängig der meist durch Geburt zugewiesenen Nationalität geben sollte. Mag sein, dass das kein Menschenrecht ist, aber mir gehen die Menschenrechte an dieser Stelle nicht weit genug. Und wie gesagt: Ein funktionaler Rechtsstaat hat die Mittel konsequent und ausreichend gegen Radikalismen vorzugehen. Ich halte das geltende juristische Recht teilweise für ethisch/moralisches Unrecht. Ich lehne es nicht völlig ab, weil das Asylrecht besser als nicht ist, aber es ist nicht ausreichend.
Insgesamt aber ist die Wochendämmerung super und höre ich sehr gern und regelmäßig!
PS: Noch eine Ergänzung zu den Shwonotes: https://de.wikipedia.org/wiki/Düzen_Tekkal
Ich muss sagen, mir ist das zu wenig. Es mag sein, dass es ganz toll ist, dass jetzt wieder oder endlich über Islamismus geredet wird. Aber am Reden ist es in Deutschland noch nicht gescheitert.
Mir fehlen die Taten und die gefallen mir nicht sonderlich, denn sie gehen mit Einschränkungen für alle einher.
Die Hintermänner des Attentäters von Solingen bekäme man vermutlich eher mit einer Vorratsdatenspeicherung, denn er ist bekanntlich nicht im Vorfeld aufgefallen. Ich hab damals mitgeholfen, diese wegzuklagen, ich zweifle inzwischen, ob das eine gute Idee war.
Es braucht weit mehr Leute beim Verfassungsschutz und Polizei und bei Sicherheitsfirmen, denn so einen Anschlag kann ich nicht mit Reden, oder ganz viel Awareness, oder Verboten verhindern, aber mit Absperrungen und Metalldetektoren bei Veranstaltungen. Nicht schön, nervt, aber funktioniert sehr gut.
Mir fehlen solche ganz konkreten Maßnahmen, die jeder im Alltag erleben kann, das gibt auch ein Gefühl von Sicherheit, weil eben mehr Kontrollen, mehr Sicherheitsleute die Welt auch sicherer machen.
Und was alles auf Pali-Demos so unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit gebrüllt wird, ist sowieso unerträglich und muss auch nicht ertragen werden.
Ich glaube wir Linken – und ich zähle mich nach wie vor dazu – müssen mal unser Weltbild überdenken, ob der Mensch denn wirklich per se „rein und gut“ ist, oder ob es nicht schlichtweg eine beachtliche Menge böser Menschen gibt, die die Welt brennen sehen wollen und wir sie aus einem falschen Welt- und Menschenbild heraus meinen „mitnehmen“ oder „abholen“ müssen (weil können ja nicht selber laufen).
Die Diagnose ist mal wieder nicht das Problem, sondern zu Handeln und da fürchte ich, wird zugunsten einer schrägen Logik (FREIHEIT!!!1!!) wieder nichts passieren. Und so gewinnen die Rattenfänger dann die Wahlen.
Weil eben nur geredet wird.
@Helena Ich finde deinen Kommentar sehr gut. Insbesondere der Absatz „ch glaube wir Linken – und ich zähle mich nach wie vor dazu – müssen mal unser Weltbild überdenken, ob der Mensch denn wirklich per se „rein und gut“ ist, oder ob es nicht schlichtweg eine beachtliche Menge böser Menschen gibt, die die Welt brennen sehen wollen“
Ich bin vielleicht nicht ganz so links, aber sympathisiere mit vielen Ansätzen. allerdings ist meiner Meinung nach genau dein Punkt etwas, was mich bei den „Linken“ furchtbar nervt. „Entweder du bist einer von uns oder du bist böse“ Das ist oft mein Empfinden. Vielleicht oft niocht so gemeint und natürlich auch nicht von allen, aber wenn es bei mir so ankommt, der sich immerhin hier und in anderen „linken Blasen“ rumtreibt. Wie erscheint es dann für die, die vielleicht noch umzustimmen sind.
Es gibt wohl nur wenige, die „rein und gut“ oder „böse“ sind. Die Wahrheit liegt dazwischen. Und so muss man die Menschen ansprechen. Die Linken, Grünen usw. verlieren meiner Meinung nach die Mehrheiten, weil sie sagen: Entweder ihr versteht uns und folgt uns oder ihr seid verloren.
Und da ist es natürlich einfach zu sagen: „Ich versteh euch nicht, also schau ich mal bei denen, die ich verstehe“. Klingt zwar manches falsch, aber die nehmen mich auch mit, wenn ich manchmal anderer Meinung bin.
Ein Beispiel für die Problematik ist der Umgang mit Greta Thunberg.
Einst gehypt als Heldin der Linken Grünen und Weltenretter. Dann war sie nicht mehr komplett gegen die Atomkraft. Uiuiu, das kann man gerade noch durchgehen lassen. Aber als sie plötzlich im Gazakonflikt Partei für die unliebsame Sache ergriff, stand man plötzlich dumm da.
Die Rechten haben hämisch gelacht, und die Linke wusste nicht wie sie darauf reagieren sollte, weil man plötzlich die Heilsbringerin (ja ich überspitze) canceln musste.
Neulich hatte Holger bei Übermedien ein Interview zu Telegram geführt: Auch da hieß es wieder gegen Ende: Die Sicherheitsbehörden gehen viel zu wenig dorthin, wo sie legal ermitteln können, in diesem Falle rechte Telegramgruppen. Aber so war das ja auch schon bei verschiedenen Anschlägen. Voll viel Kinderpornographie und Terroranschläge findet in einem öffentlichen Raum kann, den man stärker überwachen kann ohne ein einziges Gesetz zu verschärfen. Stattdessen werden strengere Gesetze gefordert. Besser wäre es, wenn Sicherheitsbehörden die Mittel, die sie haben, besser einsetzen. Mehr Personal – von mir. Aber natürlich bitte kein rechtsextremes.
Die VDS ist und bleibt Nonsens. In keinem Land in welchem diese Eingeführt wurde sind die aufgeklärten Straftaten gestiegen, im Gegenteil. Zudem gilt: die VDS gilt nur für Anschlüsse, nicht aber für Dienste. Viele Dienste wie Signal oder Threema speichern aber schon gar nichts was sie den Behörden überhaupt geben könnten, andere wie Telegram (speichern mutmaßlich und) kooperieren überwiegend nicht, andere wie Tox sind sogar so aufgebaut dass sie P2P und über das Tornetzwerk funktionieren.
Und selbst wenn da etwas gespeichertes wäre, was juckt es den radikalislamischen Prediger in $beliebigesLand ob westliche Behörden ihn suchen? Die CIA hat die einzig funktionierende Methode gegen solche Leute: Nennt sich Sensemann, hat 20 Meter Spannweite und fliegt in bis zu 15 Kilometern Höhe.
Nein, die Augfgabe unserer Freiheiten führt dazu dass die Terroristen und die Polizeigewerkschaften gewonnen haben.
Forderung zur Verschärfung des Waffenverbotes (ca. Minute 21).
laut [1] hatte die Tatwaffe eine 15 cm Klinge
laut [2] fallen feststehende Messer mit Klingenlänge über 12 cm unter das Mitführverbot.
Es war verboten. Was soll verschärft werden?
[1] https://www.spiegel.de/panorama/justiz/anschlag-in-solingen-polizei-stellt-dna-des-verdaechtigen-an-tatwaffe-fest-a-cf2239ae-4399-441f-a729-7bbd954427f3
[2] https://www.bka.de/SharedDocs/FAQs/DE/Waffenrecht/waffenrechtFrage03.html
das außerdem. Sie sagt ja: Zu denken, das löse das Problem, ist naiv.