Sie malochen auf deutschen Baustellen, putzen Büros und Toiletten, machen Hotelbetten, waschen Pflegebedürftige in Altenheimen, sitzen im LKW oder schuften in Schlachthöfen: Arbeitskräfte aus dem Ausland stützen unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft.
Und das unter oft fragwürdigen Bedingungen. Nicht nur Schwarzarbeit ist ein Problem, sondern oft auch menschenunwürdige Unterkünfte, Ausbeutung, Verstöße gegen Arbeitsrecht und das in Bereichen, die ohne diese Menschen zusammenbrechen würden. Sascha Lübbe hat sie getroffen und ihre Geschichten in seinem neuesten Buch festgehalten.
Sascha Lübbe ist Autor und Journalist, der sich schon seit vielen Jahren mit Migration, Integration und sozialer Ungleichheit befasst. Er schreibt unter anderem für die taz, die ZEIT oder auch mal für den Fluter.
Sein Buch: Ganz unten im System – Wie uns Arbeitsmigrant*innen den Wohlstand sichern, erschien bei Hirzel.
Lustig, im Feed auf Antenna Pod kommt unter dem obigen Titel die Folge von der letzten Woche.
sorry, das war im Steady-Feed ausversehen falsch – ist aber ausgetauscht, musst du eventuell neu laden
Holgi scheint überrascht warum man nicht einfach Subunternehmer verbietet bzw. Lücken lässt.
Das ist ausgesprochen schwierig. In der Schlachterei ist das noch halbwegs leicht. Hier kann man die Werkverträge für diese Tätigkeiten verbieten – aber schon hier nicht für alles. Es gibt auch in der Branche sicherlich Leistungen für die man spezialisierte Dienstleister benötigt. In der Baubranche ist das doch noch stärker so. Die Straße sperrt ein anderes Unternehmen ab, als das für das spätere Aufreißen der Straße bestellte. Asphalt kochen kann dann auch nicht jeder usw.
Wenn ich fordere, dass alle Leistungen von Angestellten des Auftragnehmers ausgeführt werden müssen wird es schwierig. Entweder man vergibt den Auftrag an einen Großkonzern der wirklich fast alle Leistungen selbst erbringen könnte oder man vergibt jedes Gewerk einzeln. Letzteres dürfte viele Kunden völlig überfordern.
Man kann natürlich einzelne Handhabungen verbieten aber Lücken bleiben dabei immer.
Ich sehe das Hauptproblem eher bei den Kontrollen, denn vieles was im Podcast moniert wird ist bereits verboten. Wir haben einen Mindestlohn. Den durch überteuerte „Mitarbeiterwohnungen“ zu umgehen ist illegal. Wenn es nicht kontrolliert wird, braucht man auch keine weiteren Gesetze die dann auch keiner kontrolliert.
PS: Es fiel ganz nebenbei, dass Bauern kaum auf Schwarzarbeit kontrolliert werden. Die niedrige Quote erscheint mir logisch. Ein Großteil der Landwirte hat keine oder nur einzelne (dann dauerhaft) Beschäftigte. Nur eine kleine Gruppe an Landwirten benötigt viele Erntehelfer. Egal wie oft man diese Landwirte kontrolliert – die Quote der Gesamtkontrolle bleibt niedrig.
Mal hier ein kurzer Ausflug zum Thema Staat, öffentlicher Dienst und Gewerkschaften. Holgi propagiert ja regelmäßig, dass man Gewerkschaften beitreten solle, um mehr Wirkmächtigkeit als Einzelner zu erlangen. Wenn ich mir als Staatsbediensteter anschaue, was die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes (inklusive Beamtenbund) regelmäßig als tollen Tarifabschluss bezeichnen könnte ich heulen und lachen zugleich. Beliebtes Stilmittel bei den Verhandlungen: Sockelbeträge über alle Entgelt bzw. Besoldungsgruppen hinweg. Wahnsinnsidee. So stärkt man zwar die unten Entgelt bzw. Besoldungsgruppen (die im Vergleich zu ähnlichen Tätigkeiten in der Wirtschaft relativ gut bezahlt werden), ebnet die gesamte Tabelle jedoch peu à peu ein und verringert die Abstände der Entgelt bzw. Besoldungsgruppen zueinander. Folge: man findet kein Fachpersonal mehr (IT, Ärzte, technischer Dienst) und immer weniger Kollegen und Kolleginnen wollen mehr Verantwortung oder gar Führung übernehmen, weil sich der Mehraufwand bzw. die Belastung kaum noch finanziell lohnt. Aber das ist ja das tolle im Kommunismus, wenigstens geht es allen später gleich schlecht 🙂
Und nochmal zum Thema Durchsetzungsfähigkeit bzw. Erwartungshaltung an den Staat, hab ich ein sehr schönes Rabbit Hole – verfassungswidrige Alimentation.
Alle Besoldungsgesetzgeber (Länder und Bund), alimentieren ihre Beamten verfassungswidrig gering. Prof. Dr. Dr. Ulrich Battis von der Humboldt-Universität zu Berlin kommt in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 07.10.2022 zu folgendem Schluss: „Völlig unterschätzt wird dabei offenbar die Symbolwirkung einer derartigen Besoldungsgesetzgebung. Darin kommt nicht nur eine offene Missachtung des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck, sondern nicht zuletzt auch eine Missachtung der hiervon unmittelbar betroffenen Beamtinnen und Beamten.
Angesichts der Dreistigkeit dieses offensichtlich inzwischen über Jahre hinweg länderübergreifend konzertierten Verfassungsbruchs verbietet sich inzwischen jegliche diplomatische Zurückhaltung. Vielmehr ist einmal mehr herauszustellen, dass hier mit voller Absicht die eindeutige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, deren Bindungswirkung § 31 BVerfGG sowie zuletzt auch die Verfassung selbst, insbesondere die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG offen missachtet werden. Der Unterzeichner hat bereits bei früheren Gelegenheiten deutlich gemacht, dass die fortgesetzte Missachtung der Judikate von Bundesverfassungsgericht und Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtsstaatsgefährdend ist.
Die (Landes-)Besoldungsgesetzgeber führen mit dieser Art der Gesetzgebung letztlich eine Verfassungskrise herbei, die über den eigentlichen Regelungsbereich hinaus weitreichende Auswirkungen haben wird. Nicht nur wird damit die Autorität des Bundesverfassungsgerichts beschädigt, sondern darüber hinaus die Integrität und damit auch die Funktionalität des Beamtentums insgesamt untergraben. Damit steuert der Besoldungsgesetzgeber im Ergebnis genau in die entgegengesetzte Richtung der vom Bundesverfassungsgericht mit seiner Rechtsprechung verfolgten Zielsetzung.“
Soviel zum Thema Erwartungshaltung an den Staat. Jeder Polizist, jeder Soldat, jeder Feuerwehrmann wird Monat und Monat, Jahr um Jahr von seinem Dienstherrn, ergo dem Staat, um die Bezahlung, die ihm laut Verfassung zustünde.
Dieser Staat und ALLE darin seit Jahren involvierten Parteien haben fertig. Wenn man sich mit diesem Thema mal auseinandersetzt, löst sich vielleicht auch mal dieses durch die Medien kolportierte Bild des reichen, fettgefressenen Beamten auf, der angeblich nur Vorteile genießt.
Viel Spaß im Rabbit Hole 😉
PS Die Tatsache, dass diese Missstände seit Jahren bekannt sind und von den zuständigen Fachgewerkschaften nicht großflächig kommuniziert und aufgeklärt werden, spricht ebenfalls nur dafür, dass Gewerkschaften und Politik in einem gemeinsamen Bett liegen.
Vergaben aus der öffentlichen Hand sind UNENDLICH kompliziert. Um einen öffentlichen Auftrag zu erhalten , müssen die Firmen schon heute gewisse Bedinungen einhalten. Also zum Beispiel kann man festschreiben, dass es sich um Ausbildungsbetriebe handelt. Oder sie dürfen (zur Zeit) keine Depandancen in Russland haben. Da die Zahlungsziele der öffentlichen Hand ziemlich lang sind (manchmal mehrere Jahre), überlegen es sich Auftragnehmer mehrfach, ob sie überhaupt mitbieten wollen. In den letzten drei Jahren ist das wirklich schlimm geworden und auf viele Ausschreibungen bewirbt sich niemand. Oder zu Preisen, die drei- bis zehnmal so hoch sind wie vor dieser Zeit. Ausschreibungsverfahren ziehen sich bei großen Beschaffungen oft über Jahre.
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Ich bin in einem Ort in der Nähe von Rheda-Wiedenbrück aufgewachen. In den Siedlungen gibt es einige Häuser, in denen jene Arbeiter untergebracht sind. Hier hat Corona einiges in Bewegung gesetzt. Vorher kannten viele der Personen nicht ihre guten Rechte in Deutschland, sondern waren von den Vermittlungsagenturen in Angst und Schrecken vor den deutschen Behörden versetzt worden. Durch die Notwendigkeiten unter Corona haben sich einige Dinge zum Positiven geändert.
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Dann auch noch meine Beobachtung, dass die prekären Arbeiter von immer weiter weg kommen. Zuerst waren es die Polen, dann die Rumänen, dann die Bulgaren…. Viele der Polen sind übrigens nach einer gewissen Zeit in Deutschland in die Schweiz weitergewandert, weil die Löhne da besser sind. Aber das ist ggf nur anekdotisch evident.
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