Mit: Ukraine-Aussichten, Godwins Law, Singularität des Holocausts, Israel-Aussichten, 100-jährige Betrüger, Bürgerrat Ernährung, Hartz-IV, Sparpläne der Ampel, Sham Jaff zu Argentinien, E-Auto-Prämie und teure Flüge.
Mit einem Faktencheck von Nándor Hulverscheidt und einem Limerick von Jens Ohrenblicker.
Links und Hintergründe
Ukraine
- taz: https://taz.de/Rekrutierung-von-Ukrainern-im-Ausland/!5977981/
- The Conversation: https://theconversation.com/ukraine-war-kyiv-digs-in-for-the-long-haul-with-prospects-looking-bleak-for-2024-220005
- C-Span: https://www.c-span.org/video/?532515-1/ukrainian-president-volodymyr-zelensky-end-year-news-conference
- Putin-PK: https://meduza.io/en/live/2023/12/14/putin-and-the-people
- Ukrainer raus: https://www.deutschlandfunk.de/kiesewetter-fordert-unterstuetzung-bei-rekrutierung-von-gefluechteten-100.html
Godwin’s Law
- Mike Godwin in der WP: https://www.washingtonpost.com/opinions/2023/12/20/godwins-law-trump-hitler-comparisons/
- WIRED: https://www.wired.com/1994/10/godwin-if-2/
- WP: https://www.washingtonpost.com/opinions/2023/12/20/godwins-law-trump-hitler-comparisons/
Masha Gessen
- Masha Gessen im New Yorker: https://www.newyorker.com/news/the-weekend-essay/in-the-shadow-of-the-holocaust
- Spiegel zu Masha Gessen: https://www.spiegel.de/geschichte/geschichte-newsletter-masha-gessen-und-der-holocaust-vergleich-a-deec57b9-4dbc-4134-8b21-ccf806a3425f
- Masha Gessen im Podcast: https://www.newyorker.com/podcast/political-scene/masha-gessen-on-the-holocaust-israel-and-the-politics-of-memory
Israel
- taz: https://taz.de/Israels-Regierung-unter-Druck/!5977700/
- Haaretz: https://www.haaretz.com/opinion/2023-12-21/ty-article-opinion/.premium/would-israel-be-any-different-without-netanyahu/0000018c-8908-da81-a1bc-cfbc96080000
- Haaretz: https://www.haaretz.com/israel-news/2023-12-22/ty-article/.premium/the-unbridgeable-gulf-between-israeli-politicians-rhetoric-and-the-reality-in-gaza/0000018c-8e1e-da31-adff-8e5eb1060000
100-Jährige
Ein Bürgerrat
- taz: https://taz.de/Buergerrat-Ernaehrung/!5975815&s=b%C3%BCrgerrat/
- Der Bürgerrat: https://www.bundestag.de/parlament/buergerraete/buergerrat_th1
Hartz4/Bürgergeld
- LinkedIn: https://de.linkedin.com/pulse/b%C3%BCrgergeld-sanktionsmoratorium-wirtschaftsabschwung-verl%C3%A4ngert-weber-olsgf
- Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Enzo_Weber
Ampel muss sparen
- Subventionen: https://table.media/berlin/news/agrardiesel-kuerzung-lebensmittelpreise-duerften-nur-minimal-steigen/
- tagesschau: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/e-autos-foerderung-100.html
Sham zu Argentinien
- taz: https://taz.de/Argentinien-unter-Javier-Milei/!5981130/
- Spiegel: https://www.spiegel.de/ausland/argentinien-tausende-demonstrieren-gegen-neuen-praesidenten-javier-milei-a-3449e6f2-6a3f-43bb-a8d7-b2aacd6515dc
- ZEIT: https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-12/javier-milei-argentinien-praesident-wirtschaftspolitik/seite-2
- tagesschau: https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/argentinien-milei-reformen-102.html
Die gute Nachricht
- Handelsblatt: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/luftverkehr-fliegen-wird-ab-2024-noch-teurer-01/100004036.html
Kernkraft nach der COP28
- N-TV: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Atomkapazitaeten-verdreifachen-Es-geht-nicht-sagt-WNISR-Herausgeber-Mycle-Schneider-im-Klima-Labor-article24614102.html
- Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Mycle_Schneider
Der Faktencheck von Nándor Hulverscheidt
- Katrin: Aus dem Ukrainischen Militär wurde gefordert, aus dem Land geflohene männliche Staatsbürger zurückzuholen und zum Wehrdienst zu zwingen. – Die Aussage stammt aus einem Interview des
Verteidigungsministers Rustem Umjerow in mehreren Springer-Medien. Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-ausland-armee-100.html – Das Ukrainische Verteidigungsministerium erklärte jedoch danach, dass „Bild“
Welt TV und „Politico“ Aussagen von Umjerow falsch wiedergegeben hätten. Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-ausland-armee-102.html. Außerdem genießen ukrainische Geflüchtete in Deutschland Schutz: https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/ukraine-wehrdienstverweigerer-auslieferung-100.html#Und - Wenn man über die langfristigen Aussichten der Ukraine diskutiert, und zwar nicht nur über die militärischen sondern grundsätzlich, dann muss man leider sagen, dass das Land wohl auf eine sehr schwierige demographische Situation zusteuert. Quelle: https://www.osw.waw.pl/en/publikacje/osw-commentary/2023-07-11/ukraine-face-a-demographic-catastrophe
- Katrin: Die Böll-Stiftung hat die Verleihung des Hannah Arendt Preises an die Schriftstellerin Masha Gessen zurückgezogen, weil diese die Situation in Gaza mit jüdischen Ghettos während des NS-Regimes verglichen hat. – Das ist nicht ganz richtig. Die Böll-Stiftung verleiht den Preis nicht allein. Das heißt, Masha Gessen wurde ausgezeichnet, die Stiftung hat sich aber nicht an der Veranstaltung zur Preisverleihung beteiligt. Quelle: https://www.boell.de/de/2023/12/13/hannah-arendt-preis-masha-gessen-heinrich-boell-stiftung-zieht-sich-aus-der
- Holger: Der letzte israelische Ministerpräsident, der eine Annäherung an die Palästinenser und den Dialog über eine Zweistaatenlösung versucht hat, wurde von einem Israeli erschossen. – Das war Ytzhak Rabin. Mehr dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Jitzchak_Rabin
- Holger: In Polen haben PiS-Anhänger Fernsehsender besetzt. – mehr dazu: https://www.ndr.de/nachrichten/info/meldungen/nachrichten313_con-23x12x21x01y35.html
- Katrin: Der Bürgerrat Ernährung hat mir Lust gemacht auf mehr. Aber ich hätte mit Klima angefangen, weil es drängender ist. – Der Bürgerrat Ernährung war der erste direkt vom Bundestag beauftragte Bürgerrat, es gab aber eine Reihe von Vorgängern: https://www.buergerrat.de/buergerraete/bundesweite-buergerraete/
Euerer „guten Nachricht“ über die Erhöhung der Ticketsteuer stehe ich etwas zwiespältig gegenüber. Ursprünglich war geplant, eine Kerosinsteuer einzuführen. Diese wurde nun verworfen und durch die Erhöhung der Ticketsteuer ersetzt. Was ist der Unterschied? Erstere würde auch für Privatjets gelten, letztere nicht.
Natürlich ist die Erhöhung aus Sicht des Klimaschutzes zu begrüßen. Aber Klimaschutzmaßnahmen, die vor allem beim Durchschnittsbürger ansetzen und die oberen 0 Komma irgendwas der Reichen (die ja massiv höhere CO2-Emissionen verursachen) unangetastet lassen, führen langfristig zu einem Akzeptanzproblem.
das ist die Handschrift der FDP ¯\_(ツ)_/¯
aber ja. Kerosinsteuer wäre natürlich sehr viel besser gewesen. Genau wie eine Einbeziehung der Superreichen in die Lösung der Haushaltskrise. Ist aber halt alles nicht zu machen mit den derzeitigen Machtverhältnissen in D.
Mal eine Einschätzuung von Denis Trubestkoy (ukrainischer Journalist, der unter anderem bei NTV schreibt):
https://twitter.com/denistrubetskoy/status/1738105317735420400
Um es mal klar und deutlich formuliert zu haben: Männer aus dem Ausland zurückholen ist nichts, was zu wirklichen Problemen der Mobilmachung in der Ukraine zählt. An der bloßen Zahl der sich in der Ukraine aufhaltenden Männer wird es in absehbaren Jahren nicht scheitern. Es werden nach wie vor nicht mal Männer unter 27 Jahren mobilgemacht – und auch die zu erwartende Senkung auf 25 wäre jetzt unter Umständen des Krieges gegen das größte Land der Welt, sagen wir mal so, sehr liberal.
Nein, es gibt zwei andere prinzipielle Probleme. Das eine ist sowjetisch geprägte Einberufungsämter. Die volle Auswechselung derer regionalen Chefs wirkte letztlich eher negativ aus und machte das ohnehin ineffektive System noch ineffektiver. Das andere ist Geld. Man kann so lange „Alle Männer an die Front“ schreien wie man möchte, nur ist die Mobilmachung teuer, wird komplett aus Steuereinnahmen bezahlt und nimmt gleichzeitig Steuerzahler weg.
Beides werden die Ukrainer etwa aus Deutschland, die wohl auch weniger motiviert sein werden, kaum grundsätzlich lösen können. Deswegen wäre es auch nett, wenn deutsche Politiker diesen Populismus weglassen, welchen Quatsch auch immer der ukrainische Verteidigungsminister da erzählte.
Ergänzend dazu von mir noch die Anmerkung, dass man Mobilisierte auch ausbilden muss. Die Menge, die man gleichzeitig ausbilden kann ist begenzt, insbesondere weil viele Ausbilder an der Front sind und es dauert seine Zeit wenn es vernünftig gemacht werden soll. Deutschland und andere europäische Staaten haben die Ukraine da dieses Jahr unterstützt, aber insgesamt weniger als 50.000 (die genau Zahl hab ich natürlich wieder vergessen :-() ausgebildet. Da hat die Ukraine exakt das selbe Problem wie die Russen. Letztere haben im September/Oktober 2022 erlebt was für ein Chaos es auslöst wenn plötzlich 300.000 mobilisiert werden und die Strukturen das nicht leisten können.
Die Berichterstattung über Polen in deutschen Medien ist ein guter Platz für Medienkritik (nicht an euch). Hätte gerne mehr erfahren wie die Rechtslage in Polen ist, dass Tusk bei den Staatsmedien so durchkärchern kann. Denn so notwendig wie es ist, so beunruhigend finde ich, dass das möglich ist. Hat die PiS die Staatsferne in den 8 Jahren Regierungszeit so zurückgefahren oder wars schon vorher so und wurde nur in einer Art Gentlemens Agreement nicht so ekzessiv ausgenutzt?
Ich schreib nen Kommentar und wenig später werde ich natürlich bei der taz eines besseren belehrt. https://taz.de/Medien-in-Polen/!5978059/
Zitat des entscheidenden Absatzes:
Die Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einen staatlichen Propagandasender geht auf das Jahr 2015 zurück. Damals liquidierte die in den Wahlen von 2015 siegreiche PiS den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und erschuf ihn sofort wieder – unter gleichem Namen, aber in anderer Rechtsform.
Weiteres dazu insebsondere über die Rechtstreue der PiS im taz-Artikel.
Meint ihr ernsthaft, es ist analytisch-intellektuell redlich, die Palästinenser wieder und wieder mit Nazis zu vergleichen? Im Gegensatz zu den Deutschen im NS, die nichts als herbeihalluzinierte Gründe für ihren Antisemitismus hatten, haben die Palästinenser nämlich durchaus ein paar ziemlich handfeste Gründe für ihre Wut auf Israel. (Obwohl sie natürlich auch wütend auf die arabischen Staaten sein sollten und das keinen Vernichtungsantisemitismus rechtfertigt, klar.) Das scheint mir ein ziemlich bedeutsamer Unterschied, der in euren Darstellungen komplett unter den Tisch fällt.
Die israelische Rechte arbeitet natürlich gerne mit dieser Gleichsetzung von Palästinensern und Nazis, um eine Politik der extrem harten Hand zu legitimieren. Aber man muss schon a) die Geschichte, wie die Hamas in Gaza an die Macht gekommen ist und b) die simple Tatsache, dass Menschen in aller Regel denen gegenüber, die sie bombardieren, ziemlich negative Gefühle entwickeln, mit aller Kraft ignorieren, um aus der zitierten Umfrage die Legitimität des Nazi-Vergleichs zu konstruieren.
ich glaube hier liegt ein Misverständnis vor! es ging in der Sendung um den Vergleich Israel/Nazis und das wir diesen Vergleich (gezogen durch Masha Gessen) ablehnen. Niemand hat die Palästinenser mit den Nazis verglichen.
In Holgers Ausführungen über die Frage, wie man die Hamas bekämpft, hat er einen Vergleich mit dem Ende des zweiten Weltkrieges gezogen – da geht es dann aber um die Frage, wie man der Hamas ein Ende setzt und nicht darum, alle Palästinenser mit Nazis gleichzusetzen.
Und dann würde ich echt empfehlen, nicht in die gleiche Falle zu tappen wie derzeit die Linke weltweit immer wieder und zu unterschätzen, wie krass der Antisemitismus zB im Iran ist (auch da gern gemeinsame Geschichte mit Nazis angucken) und dass die Hamas ganz bewusst mit diesem antisemitischem Potential spielt und es bedient. So zu tun, als sei der Judenhass im Nahe Osten nicht auch Bestandteil der ganzen Misere und es hinzustellen, als sei Israel an allem alleine Schuld (wie dein Kommentar es impliziert) ist dann nämlich sehr ignorant und geht antisemitischen Narrativen auf den Leim.
„Die Palästinenser sind das Problem. Genauso wie die Deutschen am Ende des NS das Problem waren“ klingt halt schon sehr danach. Und ist imho auch das Ergebnis davon, wenn man sich in einer Analyse komplett auf das Vorhandensein ideologischer Formen (hier: Antisemitismus) konzentriert, ohne zu untersuchen, was die gesellschaftlichen Bedingungen für die Verbreitung dieser Ideologien sind und inwieweit sie handlungsleitend werden. Dass heißt nicht, dass man den zweifelsohne reichlich in der arabischen Welt vorhandenen Antisemitismus nicht ernst nehmen sollte. Aber es lohnt sich beispielsweise zu überlegen, wie viele Nazitäter eigentlich überzeugte Antisemiten waren, die tatsächlich an die jüdische Weltverschwörung glaubten, und wie viele dann doch eher aus allen möglichen opportunistischen Motiven agierten. Christopher Brownings Ganz normale Männer ist in der Hinsicht sehr lesenswert.
die von dir zitierte Aussage entspricht also nicht deiner ursprünglichen Anschuldigung, die lautete
„die Palästinenser wieder und wieder mit Nazis zu vergleichen?“
seit Wochen geht es hier in den Kommentaren – nicht nur bei dir – darum, wie Israel ja selbst schuld sei, dass die Palästinenser wütend seien. Keiner dieser Kommentare spricht davon, wieviel Anteil daran eigentlich die Hamas trägt.
ist das denn analytisch-intellektuell redlich?
Ich kann natürlich jedem meiner Kommentare ein „Das Massaker der Hamas am 7. Oktober war grauenvoll und natürlich hat Israel das Recht sich dagegen zu wehren und zu verhindern, das so etwas wieder passiert,“ voranstellen. Das sehe ich auch tatsächlich so, finde es allerdings etwas albern, wenn es in meinem Kommentar um etwas anderes geht. Nämlich um Fragen der Verhältnismäßigkeit. Und da ist der Syllogismus „Oct 7 war ein Mini-Holocaust, die Palästinenser distanzieren sich nicht ausreichend von der Hamas, also kann man sie auch behandeln, wie man Nazitäter hätte behandeln sollen“ einer der wesentlichen Frames, mit denen die Form des Krieges gerechtfertigt wird und die weltweit von Rechten, in Deutschland aber bis weit ins linksliberale Lager geteilt werden. Weshalb eine Verurteilung der Art der israelischen Kriegsführung eben auch weitgehend unterbleibt. Unterfüttert wird das durch das Bemühen, Israel auf keinen Fall zu dämonisieren, weil IHRA-Antisemitismusdefinition. Aber dass von einem Staat, der stets seinen Status als einzige Demokratie der Region vor sich herträgt, dann eben auch erwartet wird, sich in Fragen der Wahrung von Menschen- und Völkerrecht so zu verhalten wie man es von anderen westlichen Staaten erwartet, und nicht etwa wie Syrien oder Nordkorea (an die man denselben Anspruch hat, aber von denen man eher nichts Gutes erwartet) ist gerade keine Dämonisierung. Vielmehr ist da der Verweis auf den (noch einmal: zweifelsohne reichlich vorhanden) arabischen Antisemitismus eher ein Whataboutism, der Israel auch von legitimer, nicht antisemitisch motivierter Kritik ausnehmen soll.
ich würde dir in fast allen Punkten zustimmen.
Nur dein letzter Satz: „Vielmehr ist da der Verweis auf den (noch einmal: zweifelsohne reichlich vorhanden) arabischen Antisemitismus eher ein Whataboutism, der Israel auch von legitimer, nicht antisemitisch motivierter Kritik ausnehmen soll.“
ist genau das, was ich komplett anders sehe. Da kommen wir nicht zusammen und es dürfte die Ursache sehr vieler Meinungsverschiedenheiten sein. Wenn man die tatsächliche Bedrohung Israels als Whataboutism wegwischt, ist eine ernsthafte Auseinandersetzung mit jenen, die Israel als von Anfang an bekriegten und bedrohten Staat sehen, schwierig. Weil man eben doch dazu neigt, einseitig auszulegen, wer in dem ganzen „die Guten“ TM und wer „die Bösen“ TM sind. Bzw. wie es heute meist heißt: die Unterdrückten und die Supremacists.
Solange die weltweite Linke die Situation Israels, diese massive Bedrohung (und da geht es um weit mehr als den 07. Oktober) ausblendet, wird sie keine Lösung anbieten können.
Einen super Text zu diesem Tribalismus habe ich diese Woche in Haaretz gelesen – empfehle ich sehr: https://www.haaretz.com/israel-news/2023-12-20/ty-article/.premium/hamas-hasbara-and-the-holocaust-what-left-and-right-get-wrong-about-the-israel-gaza-war/0000018c-8841-d60e-afdf-ec4f738d0000 – keine Sorge, die Rechte bekommt genauso ihr Fett weg
Ich komme dann mal Holgis Aufruf nach und antworte aus Sicht eines Bauern.
Vorweg, der Bauernverband argumentiert hier unredlich, weil er davon ausgeht, dass die echten Argumente von den Verbrauchern nicht verstanden werden würden.
Der Preis von Nahrungsmittel in Deutschland wird sich, voraussichtlich, durch die Abschaffung der Gasöl Verbilligung und KFZ Steuerfreiheit nicht ändern, dafür würden durch diese zusätzlichen Belastungen tatsächlich die wirtschaftliche Situation vieler Betrieb deutlich schlechter werden.
Zur Erklärung müssen wir uns anschauen, wie die Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Deutschland überhaupt zustande kommen:
Innerhalb der EU haben wir einen komplett offenen Binnenmarkt und durch die EU standardisierte Produktnormen für praktisch alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse, als Folge sehen wir auf der Erzeugerseite fast gleiche Preise für landwirtschaftliche Produkte in der ganzen EU.
Für Weizen ist das z.b der Preis an der MATIF in Amsterdam, auf den dann zu oder Abschläge gezahlt werde, ja nach Qualität, z.b Brotweizen oder Futterweizen und den jeweiligen Transportkosten.
Kurzfristige extreme regionale Verzerrungen wie z.b letzten Sommer durch ukrainisches Getreide, das Polen überschwemmt hat, lasse ich hier bewusst weg.
Auch bewusst erwähne ich hier nur kurz, dass der europäische Preis ihm Kern nur ein Spiegel der Weltmarktpreise ist, da die meisten landwirtschaftlichen Produkte weltweit standardisiert gehandelt werden.
So auf Basis der Ausführungen oben wird klar das die Deutschen Produktionskosten (praktisch) keinen Einfluss auf den Preis von Weizen, Milch, Kartoffel,… haben.
Was der wirkliche Effekt des Wegfalles der Gasölverbilligung und das Erheben der KFZ Steuer auf landwirtschaftliche Maschinen ist, dass diese Kosten eins zu eins am Gewinn der Bauern fehlen wird .
Und das wird für den ein oder anderen Betrieb das Ende bedeuten, so wie für alle wirklich schmerzhafte Einschnitte.
ehe ich aber endlich zu den Zahlen komme, muss ich diese noch kurz einordnen:
Der durchschnittliche Betrieb hat keine Angestellte und zahlt auch kein Geschäftsführergehalt aus.
Der durchschnittliche Betrieb arbeitet mit zum Großteil abgeschriebenen Maschinen sodass seine Abschreibungen bei weitem nicht ausreichen um nötige Ersatzbeschaffungen abzudecken.
Hinter dem Durchschnittlichen Betrieb stehen etwas mehr als 2 Familienarbeitskräfe.
so zuerst zu den allgemeinen Zahlen:
Der durchschnittliche Betrieb hat einen Jahresgewinn von etwa 55.000€ [1] (Das jahr 21/22 ist nicht nachhaltig da in Folge des Ukrainekriegs die Preise etwa ein Jahr extrem hoch waren, inzwischen aber wieder gefallen sind)
von diesen 55.000€ muss der Betrieb nachhaltig mindestens 15.000€ für ersatzinvestitionen zurücklegen, bleiben also noch 40.000€ echter gewinn, für 2 Familienarbeitskräfte die in der Regel deutlich mehr als die 1600-1800h Arbeiten, die für Angestellte üblich sind, ich Rechne hier mit 2700h/jahr was die Untergrenze dessen ist, was der Maschinenring annimmt[2]
Das Macht also einen rechnerischen Arbeitgeber Brutto Stundenlohn von etwa: 40.000€/5400€= 7,41€/h.
Wenn nun durch den Wegfall der Steuererstattung und die KFZ Steuer ungefähr 1Milliarde Kosten auf 262 Tausend Betriebe[3] zukommen macht das etwa 4000€/Betrieb oder Anders gesagt 10% seines Gewinnes aus und der rechnerische Stundenlohn fällt auf 6,67€/h
Soviel zum durchschnittlichen Betrieb, jetzt noch zu meinem Eignen Hof, dieser ist überdurchschnittlich groß und ich Halte Kühe und Produziere vor allem Milch.
Ich habe einen durchschnittlichen Gewinn der letzten Jahre von etwa 100.000€ von dem zwei Familien Leben, ich rechne durch den Wegfall der Aktuell in Diskussion stehenden Subventionen mit einer Belastung von ca. 20.000€/Jahr was uns Äußerst hart treffen wird.
Ich mache hier jetzt Schluss um den Kommentar nicht ausarten zu lassen stehe aber jederzeit zur Disskusion zur verfügung
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/207164/umfrage/einkommen-von-landwirtschaftlichen-haupterwerbsbetrieben-in-deutschland/
[2] https://www.wiki-maschinenringe.de/%C3%BCmv/arbeitswirtschaft/arbeitskr%C3%A4fte/
[3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Landwirtschaftliche-Betriebe/Tabellen/oekologischer-landbau-bundeslaender.html
weiß nicht ob meine rückfrage da bissl spät kommt und nicht mehr gesehen wird, aber trotzdem. danke für diese erläuterung. mich würde interessieren: ist es valide vom durchschnittlichen gewinn die „einsparungen pro betrieb“ abzuziehen die durch die maßnahme entstehen? als erster shot ok, wenn wir keine weiteren infos haben, aber durch unterschiedliche verteilungen von betriebsgrößen (und damit ausgaben) und betriebsgewinnen subtrahierst du da vielleicht äpfel von birnen und das ergebnis ist nicht interpretierbar.
wenn man die rechengrößen anders, konsistenter aufsetzen könnte, wäre super.
bei deinen kosten (und ich bitte um entschuldigung dass ich keine der größen kenne): wenn du 20.000 zusätzliche kosten hast durch wegfall des privillegs, wie hoch ist denn dann ein diesel-verbrauch insgesamt? ich las jetzt von 21 ct/Liter Subvention. Wenn das stimmt, dann wären deine 20.000 EURO äquivalent zu 95.000 Liter Diesel im Jahr. Bei 12 Liter pro Stunde wären das 8.000 Betriebsstunden pro Jahr.
Würde mich über eine Antwort freuen.
Sorry Marc, dass ich erst jetzt Antworte, hatte nach einer Woche aufgehört nach neuen Antworten zu schauen.
Du hast mit deiner Rechnung recht, wenn es nur um die Agrardiesel Erstattung gehen würde.
Für meinen Hof waren das letztes Jahr rückwirkend für 2022 6.292,23€. 2023 wird es mehr da die Witterung zu den entscheidenden Zeiten Nass war und darum die Bodenbearbeitung schwerer ergo mehr Dieselverbrauch.
Da die Bundesregierung mit einer etwas höheren Summe für die KFZ Steuerbefreiung gerechnet hat, habe ich hier mit etwa der gleichen Summe kalkuliert. 2*6.500€.
Dazu kommt noch ein Punkt, der in der öffentlichen Diskussion komplett untergegangen ist.
An der KFZ Steuerbefreiung hängen eine ganze Reihe von Privilegieren, die von der Landwirtschaft in Anspruch genommen werden dürfen.
In meinem Fall ist die Entscheidende die Zulassungsfreiheit von Anhängern/Maschinen mit eigener Achse.
Für meinen Hof hätte das zusätzlich Zulassung(weil seither Zulassungsfrei), KFZ Steuer(ohne Zulassung seither noch nicht mal erfasst), TÜV(Ohne Zulassung keine TÜV Pflicht) und Versicherung(Zulassungsfreie Maschienen werden von der Betriebshaftpflicht mit abgedeckt) für 9 Anhänger/Maschinen bedeutet.
Für die Punkte habe ich mit 5-7.000€ Gerechnet.
Die 20.000€ Setzen sich also so zusammen:
6.500€ Agardiese
6.500€ KFZ Steuer für schon Zugelassene Fahrzeuge
7.000€ Für Folgekosten
20.000€ Erwartete mehrbelastung
Ich vermute das die Bundesregierung grade den Punkt mit den Folgen für Versicherungen usw ursprünglich Komplett übersehen hatte und das der „zum Teil erheblichen bürokratischen Aufwand“ ist mit dem sie da ihr Zurückrudern erklären.
Jetzt zu Holgis Frage: „Warum Hörst du nicht einfach auf und machst was anderes“
Auf die Frage gibt es mehrere Antworten bzw mehrere Ebenen
Die erste und die wird man von den meisten Bauern hören: Weil ich es Finanziell nicht kann.
Ich bin jetzt 36, in den Letzten 10 Jahren habe ich investiert(Tierwohl, umweltschonende Düngetechnik, Emissionsschutz) und habe jetzt Etwa 500.000 € Schulden, Dazu kommt das Ich mich Im zuge des Baues einer Gülle Biogasanlage dazu verpflichtet habe noch bis 2034 Tierhaltung mindestens in dem Umfang zu betreiben wie heute und der Wegfall der Tierhaltung den Verlust von knapp 1Mio€ EEG Vergütung, die zum Abbezahlen der Biogasanlage nötig sind, zur Folge hätte.
Dazu kommen solche Punkte wie das ein Bauernhof, also Ställe/Scheunen/Futter und Güllelager Praktisch nicht Verkäuflich sind, ich habe also die Wahl Zigtausend Euro Pro Jahr in deren Erhalt zu stecken oder Zuzusehen wie um mich herum alles Verfällt.
die zweite hat etwas mit Identität zu tun und ich versuche seit einer Halben stunde die Auszufomulieren, komme dabei aber immer wieder ins Schwafeln, ich möchte darum einfach ein Goethe Zitat aus Faust bringen das mich in meiner ganzen Erziehung als Bauernkind begleitet hat „Was du ererbt hast von deinen Eltern, das Erhalte um es zu Besitzen“
Im Sinne von. Generationen haben gespaart um diesen Hof zu erhalten und du bist nicht derjenige der ihn aufgibt“
aber auch im Sinne von „Erhalte den Hof als Betrieb sonst bist du es nicht wert ihn zu Besitzen“
Dazu würde es noch sehr sehr viel zu sagen geben aber ich muss jetzt leider weiter
Den Goethe lasse ich jetzt mal nicht gelten, weil das letztlich Sentimentalität ist, und die hat in der Marktwirtschaft nix verloren (i hope you get the point), aber den Rest finde ich bemerkenswert: Selbst wenn Du völlig unsentimental auf deinen Beruf blicken würdest, säßest Du in einer ökonomischen Falle? Ist das normal für nicht-industrielle Agrarbetriebe?
Erst einmal einen riesigen Respekt. Man spürt wieviel Herzblut hier hinter deiner Tätigkeit steckt.
Was ich mich gerade frage, ist inwieweit der Wegfall der Subventionen zu einem Sterben der Landwirtschaft führen würde und hierdurch nicht ein höherer CO2 Ausstoß die Folge wäre, da zumindest die Güter über größere Strecken transportiert werden müssen (und ggf. im Ausland die Umweltauflagen nicht so hoch sind). Weiter, ab wann verlieren wir in Deutschland die Fähigkeit uns selbst ernähren zu können. Vermutlich sind wir bereits heute in einem hohen Abhängigkeitsverhältnis zu Agrarprodukten die im Ausland produziert werden. Wo ist hier der Punkt an dem es kritisch wird?
Und wieder sind Hauptstraßen dicht
statt Pattex durch Treckergewicht.
Die Ziele sind jetzt
entgegengesetzt,
und prompt kocht die Volksseele nicht.
Guter Punkt Sören,
Ich will nur drei Gedanken als Erklärungsansatz dazu nennen warum die Reaktion auf die Staus durch Traktordemos eine andere ist als auf die Demonstrationen der letzten Generation:
1. die Bauerndemos waren die ersten seit Jahren, während die letzte Generation seit etwa 2 Jahren regelmäßig wegen ihrer Aktionen in den Medien sind, in den zwei Jahren hat sich der Zorn der „Volksseele“ immer weiter entwickelt.
2.die durchschnittliche Aktion der letzten Generation umfasst eine niedrige zweistellige Zahl an Aktivisten die bewusst eine möglichst große Verkehrsstörung herbeiführen während die Bauerndemo mehrere Tausend Demonstranten umfasst hat
3. die letzte Generation handelt in der Absicht den Verkehr zu stören während bei den Bauernprotesten die Verkehrsstörung ein Nebeneffekt der verfassungsmäßigen Demonstration war. Die Bauern arbeiten dabei mit der Polizei zusammen um die Störung möglichst gering zu halten
Zusammengefasst rechne ich für den 8.Januar mit dem hochkochen der Volksseele wenn die Bauern Deutschlandweit die Proteste umsetzen die sie gerade planen und vielleicht wirklich Teile des Landes für ein paar Stunden stillstehen
kleiner Hinweis zu den Preisen für E-Autos. Jetzt die Rabatte kurzzeitig von Seiten der Hersteller zu zahlen sagt nicht aus, dass die bislang zu viel hatten. Je nach Hersteller stimmt das mehr oder weniger.
Die Übernahme der Rabatte dürfte einen anderen Grund haben: Die Hersteller übernehmen die nur kurzfristig. Dabei muss man bedenken, dass die Produktionsplanung bei vielen Herstellern ca. 12 Wochen beträgt (die Dauer der Rabattübernahme bei vielen wohl nicht zufällig ungefähr so lang). Wenn plötzlich jede Menge Kunden ihr bestelltes Fahrzeug stornieren weil es preislich unattraktiv wird, haben die ein gewaltiges Problem mit der Auslastung. Die Produktion ist geplant und man müsste mehr oder minder das Auto trotzdem bauen und versuchen es von der Halde abzuverkaufen. Da dann viele sowieso nicht mehr kaufen, müsste man diese dann überzähligen Autos mit enormen Rabatten in den Markt drücken. Das ist vermutlich viel teurer als jetzt die 4500€ aus eigener Tasche zu zahlen. Noch dazu dürften dann einige Hersteller Probleme mit den CO2-Quoten bekommen wenn sie die Fahrzeuge nicht zugelassen bekommen.
Wie günstig sie wirklich verkaufen können werden wir in einigen Monaten sehen. Die meisten Autos wären ohne Förderung ca. 10% teurer als bislang und dadurch gegenüber einem Verbrenner sehr teuer. Wir werden sehen wer die Preise senkt und wer die Produktion umstellt (Mercedes und BMW sind relativ flexibel, VW gar nicht). Und mit etwas Verzögerung sieht man dann wie die Konzernergebnisse sind. Da dürften einige Überraschungen dabei sein. Man hört immer wieder, dass der eine Hersteller für jedes BEV schon heute draufzahlt und der andere wiederum zumindest etwas im Plus ist.
Bei mir hat sich beim Thema Milei/Argentinien die gleiche Frage gestellt wie bei anderen Ländern, in denen gewählt wird (kürzlich Netanjahu/Israel): Die Politiker, gegen die protestiert wird, wurden gewählt und sind keine Autokraten. Und sie haben ihre Pläne nicht geheim gehalten. Dennoch wurden sie gewählt.
Wieso große Teile der Wähler sich denken „Die sind ja echt so übel, wie sie im Wahlkampf gesagt haben. Da ändere ich jetzt mal meine Meinung und gehe protestieren. So habe ich mir das nicht vorgestellt!“ Warum kommen solche Erkenntnisse einen Schritt zu spät? Ist Homo sapiens vielleicht doch nicht so vernunftbegabt?
alle bisherigen Analysen fokussieren sich auf die Emotionalisierung von Politik. Emotionen sind oft stärker, als Vernunft – eine geschickte Instrumentalisierung kann also dabei helfen, Wahlen oder Abstimmungen auch entgegen allen besseren Argumenten und Alternativen zu gewinnen (siehe Brexit).
Eine zweite gute Erklärung ist die eines Meinungsmarktes: Es gibt den Bedarf nach einer bestimmten Meinung (zB: der Klimawandel ist schon nicht so schlimm), darum lohnt es sich, diese Meinung jenseits von Fakten zu bedienen.
Zur Emotionalisierung der Politik zwei ganz gute Texte: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/30887/demokratie-und-die-macht-der-gefuehle/ und https://www.deutschlandfunk.de/gesellschaftsforschung-wie-gefuehle-politik-machen-100.html
und zum Thema Meinungsmarkt: https://makronom.de/die-angebots-und-die-nachfrageseite-des-populismus-27150
Bauernprotest
Es war mal ein Bauer aus Hessen,
der konnt‘ den Gewinn jetzt vergessen.
Die Fahrt zum Protest
gab dem Traktor den Rest,
was nun mit „regional essen“?
Ein emsiger Bauer vom Lande
Kam gut mit den Steuern zurande.
Fürs Klima zu kleben
Fand er sehr daneben.
Dagegen zu stinken… Oh, Schande.
Kurz vor dem hohen christlichen Fest
zogen die Bauern nach Berlin zum Protest
sie hupten und fuhren
hinterließen stinkende Spuren
behaupten Normalpreis für Diesel gibt ihn´den Rest
zu eurem Punkt, dass Landwirte sich den fehlend
en Betrag zum Mindestlohn vom Arbeitsamt holen: hier sehe ich vor allem das Problem, dass bei den meisten Landwirten die Arbeitszeiten völlig außerhalb des Arbeitsrechts liegen (in der Ernte wird quasi durchgehend gearbeitet). Ich frage mich, ob das einfordern der Differenz zum Mindestlohn dann möglich wäre.
absolut! Die Frage, die sich stellt, ist ja am Ende: wie kann man Landwirtschaft so umgestalten, dass sie Umwelt-, Menschen- und Tierfreundlich ist? Der ist über die Jahrzehnte (vielleicht auch schon bald 100 Jahre), einfach ein System gewachsen, dass sich diese Fragen nie gestellt zu haben scheint.
Zur Ukraine womöglich Thomas Wiegold ( https://augengeradeaus.net/ ) befragen?